Über das Verbrennen von Büchern berichtet unter #weiterlesen: Das Literaturnetz Dresden. Es geht um die doppelte Bücherverbrennung, über die sich im folgenden Beitrag der Redaktuer Oliver Reinhard und der Historiker Mike Schmeitzner austauschen. Die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten ist meist mit dem 10. März verbunden. An diesem Tag brannten auch Bücher auf der Dresdner Räcknitzhöhe, an einem Ort meiner Kindheit. Jedoch gibt es ein weiteres Datum, das in Dresden interessant ist, das ist der 8. März, an dem schon Bücher brannten am Wettiner Platz…
Über das Verbrennen von Büchern
„So einfach war es, eine Literatur auszulöschen? Mit so plumpen, gemeinen Maßnahmen konnten Bosheit und Dummheit triumphieren? So rasch gab der Geist seinen Geist auf? Wir wussten damals nicht, was heute, nach vielen entsetzlichen Jahren, die ganze Welt weiß: Mit solchen Methoden kann man zwar ein Volk vernichten, Bücher aber nicht. Sie sterben nur eines natürlichen Todes. Sie sterben, wenn ihre Zeit erfüllt ist. Man kann von ihren Lebensfaden nicht eine Minute abschneiden, abreißen oder absengen. Bücher, das wissen wir nun, kann man nicht verbrennen.“ (2)
„Seit Bücher geschrieben werden, werden Bücher verbrannt. Dieser abscheuliche Satz hat die Gültigkeit und Unzerreißbarkeit eines Axioms. Er galt zur Zeit der römischen Soldatenkaiser und unter Kubilai Khan, bei Cromwell und für die Konquistadoren, für Savonarola, Calvin und Jacob Stuart, für die Jesuiten, die Dominikaner und die Puritaner, für China und Rom, für Frankreich, Spanien, England, Irland
und Deutschland, für Petersburg, Boston und Oklahoma City. Immer wieder hatten die Flammen ihren züngelnden Wolfshunger, und immer wieder war ihnen das Beste gerade gut genug. Sie fraßen die Werke von Ovid und Properz, von Dante, Boccaccio, Marlowe, Erasmus, Luther, Pascal, Defoe, Swift, Voltaire und Rousseau. Manchmal fraßen sie den Autor oder den Drucker als Dreingabe. Oder sie leuchteten, damit der Henker den Angeklagten umso besser die Ohren abschneiden, die rechte Hand abhacken und das Nasenbein zertrümmern konnte.Hören Sie sich, bitte, ein paar Sätze aus einem Buch an, und versuchen Sie zu erraten, wer das und wann er es geschrieben haben könnte!»Man hat nicht nur gegen die Autoren, sondern auch gegen ihre Bücher gewütet, indem man besondere Kommissare beauftragte, die Geisteserzeugnisse der bedeutendsten Köpfe auf offnem Markte zu verbrennen. Natürlich meinte man in diesem Feuer die Stimme des Volkes, die Freiheit und das Gewissen töten zu können. Man hatte ja obendrein die großen Philosophen ausgewiesen und alle echte Kunst und Wissenschaft ins Exil getrieben, damit nirgends mehr etwas Edles und Ehrliches anklagend auftrete … Während in fünfzehn Jahren … gerade die geistig Lebendigsten durch das Wüten des Führers umkamen, sind nun wir wenigen … nicht nur die Überlebenden von anderen, sondern auch von uns selber, weil ja mitten aus unserem Leben so viele Jahre gestohlen wurden, in denen wir aus jungen zu alten Männern geworden sind, … indessen wir zur Stummheit verurteilt waren.«Das hat Tacitus nach der Schreckensherrschaft des Kaisers Domitian geschrieben, der im Jahre 96 n. Chr. ermordet wurde. Achtzehn Jahrhunderte und ein halbes sind vor diesen Sätzen vergangen wie ein Tag und wie eine Nachtwache.“ (3)
Diese ausnahmsweise ziemlich lange Zitat hat mich beeindruckt und soll dafür stehen, dass solange wie Diktaturen bestehen oder die Gefahr besteht, dass welche entstehen oder ausgebaut werden, das , wie Kästner weiter ausführt, Heinrich Heine gilt: „Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“**
- DNB / Atrium Verlag / Zürich – 4.2017 / ISBN: 978-3-85535-289-7 / 51 Seiten
- (1) in Kann man Bücher verbrennen? Neue Züricher Zeitung, Jg.3, Nr.37, Frankfurter Ausgabe, 09.05.1947; zitiert in Über das Verbrennen von Büchern Zürich 2017
- (2) Ansprache auf der Hamburger P.E.N.-Tagung am 10.Mai 1953, Süddeutsche Zeitung vom 10./11.Mai 1958; zitiert in Über das Verbrennen von Büchern Zürich 2017
- siehe auch Litterae-Artesque vom 03.01.2020
© Bücherjunge (NZ, 28.04.2021)