Das ist schon mal eine schöne Idee, Städte in Biografien darzustellen. Nicht nur DRESDEN dürfte dabei eine gewaltige Bandbreite an Persönlichkeiten aufweisen. Schauen wir doch mal hinein, wen wir da so finden werden. Schauen wir außerdem, was da im Bücherschrank steht.
Natürlich darf der erste Kurfürst, Moritz, nicht fehlen. Auch Friedrich August I., genannt der Starke und seine Mätresse, die Gräfin Cosel. An deren Bekanntheitsgrad haben die Romane des Polen Josef Ignacy Kraszewski wahrscheinlich einen hohen literarischen Anteil, so dass er fast mit hätte aufgenommen werden können in den Kreis der Dresdner Biografien. Fast zwangläufig kommt unmittelbar danach einer der vier Goldfasanen des Königs mit in dieses Buch. Halten wir uns kurz bei diesem auf:
Johann Friedrich Böttger (1682 – 1719) gilt als der „Erfinder“ des sächsischen Porzellans. In dieser Biografie wird einer erwähnt, ohne den diese Erfindung höchstwahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. Ehrenfried Walter von Tschirnhaus wurde dem Apothekerssohn und Scharlatan Böttger, der vorgab, Gold machen zu können, als Kontrollorgan zu Seite gegeben. Da sich dieser Universalgelehrte mit Brennvorgängen von Keramik bereits ausgiebig beschäftigt hatte, sind seine Erkenntnisse wohl ausschlaggebend gewesen. Tschirnhaus starb bereits 1708. Damit hat er nur drei Jahre Zeit gehabt, die Arbeit des Adepten zu beeinflussen. Böttger starb dagegen bereits mit 37 Jahren. Ohne Tschirnhaus dürfte sein Erfolg also nicht möglich gewesen sein.
Seit den Biografien von Hans Joachim Böttcher und dem unermüdlichen Einsatz von Christof v. Tschirnhaus, einem Nachfahren, rückt der Gelehrte mehr in den Vordergrund. Das ist gut so, auch wenn dies diese Kurzbiografie noch ziemlich einseitig darstellt. Dies zeigt sich am Ende mit der Bemerkung zur „beiläufigen Erfindung“ des Porzellans durch Böttger. Es wird also noch eine Weile dauern, bevor sich die wahre Geschichte wirklich darstellt.
ALS ICH EIN KLEINER JUNGE WAR, ist die Autobiografie, die Erich Kästner so mit seiner Heimatstadt verbindet. Der darf natürlich nicht fehlen. Die Villa Augustin, das Haus am Albertplatz, gehörte seinem Onkel, beherbergt das Kästnermuseum, eine ebenso moderne wie interessante Darstellung von Leben und Werk des bekannten Kinderbuchautors. Er schaut über die Mauer der Villa. Kästner hat nicht nur für Kinder geschrieben und musste erleben, wie ein Teil seiner Werke im Jahre 33 den Feuer übergeben wurden. SÄCHSISCHE SONETTE? Nicht nur Lene Voigt hat sächsisch geschrieben, auch Kästner. So wird man in wenigen Seiten auf bisher Unbekanntes aufmerksam.
LINGUA TERTII IMPERII – Sprache des Dritten Reiches. Mit der beschäftigte sich Victor Klemperer. Dass diese Schrift des jüdischen Philologie-Professors nach 1945 überhaupt gedruckt werden konnte, ist seiner Frau zu verdanken, die sie Skripte ihres Mannes zu einer Vertrauten in Pirna brachte. Die Klemperers überlebten die Judenverfolgung in Dresden und auch die Nacht des Bombeninfernos. Schon diese Kurzbiografie beinhaltet so manches Neues, der Biografie zu folgen wird sicherlich ein neues Ziel sein.
Völlig anders stellt sich ein Autor in der Literaturlandschaft dar, dessen Roman DER TURM schnell bekannt wurde und auch als zweiteiliger Film sowie als Theaterstück zur Vorführung kam. Uwe Tellkamp. Ein Roman in einem herrlichen Deutsch, gelegentlich manchmal zu intellektuell für meinen Geschmack. Die Art allerdings, mit der er Dresdner Geschichte erzählt, hat mir nicht umfänglich gefallen, die Kritik dazu findet sich hier.
Wer wird hier noch alles porträtiert?
Bernardo Belotto, genannt Canaletto, Carl Maria v. Weber, Carl Gustav Carus, Gottfried Semper, Karl May, Ernst Ludwig Kirchner, Gret Palucca, Manfred v. Ardenne, Christian Gottfried Körner, Eugen Gutmann, Karl August Lingner, Luise von Toscana und Elfriede Lohse-Wächtler.
Über Carus war schon einmal hier die Rede, in FLÜGEL DER MORGENRÖTE von Kurt Arnold Findeisen, der in DER GOLDENE REITER auch schon über „Goldfasane“ schrieb.
Ernst Ludwig Kirchner trat in der sehr schönen Novelle DIE BADENDE VON MORITZBURG von Ralf Günter in Erscheinung.
Ein Büchlein zum schmökern mit vielen Anregungen. So schmal die Biografien auch sind, sie machen neugierig. Merian porträts ist eine Reihe, die viele Städte auf diese Art und Weise vorstellt. Eine sehr schöne Idee.
- DNB / Travel House / München 2014 / ISBN: 978-3-8342-1494-2 / 176 S.
- veröffentlicht unter Litterae – Artesque am 20.02.2019
© Dresdner Bücherjunge (NZ, 21.04.2023)