Goldammer, Frank: In Zeiten des Verbrechens

Schon mit dem Lesen des ersten Bandes der Geschichte um den Dresdner Kriminalkommissar Max Heller stellte sich immer wieder die Frage, wie der Mann denn durch die 12 Jahre des nationalsozialistischen sogenannten Dritten Reiches gekommen war. Mit der Zeit und mit den Einblicken in die Geschichte des Geron Rath, Hauptfigur von Volker Kutscher in bisher neun Bänden (Babylon Berlin) verstärkte sich diese Frage noch mehr:

Konnte man als Polizist, dessen Behörde der Kriminalpolizei immer mehr an den Sicherheitsdienst (SD) und die Geheime Staatspolizei (Gestapo) gekoppelt wurde oder gar darin einging, weitestgehend unschuldig ermitteln? Nun ist der Max Heller ein ganz anderer Charakter als dieser ungefähr gleichaltrige Gereon Rath.

In ZEIT DES VERBRECHENS werden wir die Antwort immer noch nicht finden, aber nun erfahren wir, wie der junge Max Heller überhaupt zur Polizei kommt. 

Abgemagert, verwundet und hinken schleppt er sich nach Ende des großen Krieges nach Hause, nach Dresden. Seine Mutter erkennt ihn erst gar nicht. Einen Schulfreund findet er wieder, die beiden ziehen gemeinsam los. Im Chaos von zusammenbrechender Verwaltung, abgedankten König und Arbeiter- und Soldatenräten herrscht Anarchie und das Verbrechen ist allgegenwärtig. Genau eine Schmuggelfahrt für einen zwielichtigen Unternehmer unternimmt Max, dann zieht er doch wieder bei den Eltern ein. Das wenige Geld geht schon mal für ein paar Bier zu viel drauf und mit der Polizei schließt er im Zusammenhang mit Kneipenschlägereien Bekanntschaft. Eines Tages begegnet er seinem Großvater. Der war Kriminalrat und bekam vom König beim Eintritt in die Pension den Titel Geheimrat, wie er von vielen ehrfürchtig genannt wird. Er erkennt im Enkel gewisse Seiten und Max wird diese auch in kommenden gefährlichen Situationen beweisen.

Zur Quelle über Link Teil 1
Teil 2

Es ist eine Zeit des Verbrechens, besonders die in den Jahren bis 1923. Es ist auch die Zeit der Freikorps und die Reichswehr schießt auf bewaffnete Arbeiter. Im Jahr 1919 wird der sächsische Minister für Militärwesen, Gustav Neuring, ein Sozialdemokrat ermordet. Der Bericht hier illustriert das Geschehen. 

Max wird von seinem Schulfreund Armin überredet, bei so einer Anarchistengruppe mitzumachen, die anscheinend solche Terrorakte plant, sich aber alsbald als reine Verbrecherbande herausstellt. Der uns Leserinnen und Lesern bekannte Gerechtigkeitssinn des Helden Max bricht sich Bahn, der Großvater hat seinen Anteil daran.

Ein spannender Weg, dessen Beginn das Prequel zu den sieben bisherigen Bänden (Zeitraum 1944 bis 1961) erzählt. Wir lernen auch schon die zukünftige Ehefrau Karin kennen und sehen den Schutzmann mit Tschako und dicken Mantel durch die Straßen Pieschens laufen. In der Dresdner Kripo gibt es einen, der auf alte Kriminalräte hört und der in Max ein gewisses Potential vermutet.

Die Handlung umfasst die Jahr 1917 bis 1924. Auch nach den Putschversuchen, im Kapp-Putsch (1920) trifft ein gewisser Hitler mit den Putschisten zusammen, war insgesamt kein Neuanfang sichtbar. Im roten Sachsen waren in der Landesregierung SPD und KPD vertreten und von Berlin aus setzte man 1923 dann Reichswehr ein, um unter einer Reichsexekution genannten Befugnis des Reichspräsidenten dieses rot-rote wacklige Bündnis aufzulösen.

Max und Karin heiraten und ziehen zusammen und während ringsum im Deutschland um die politische Macht gestritten und gekämpft wird, klärt Heller eine Art Lebensmittelskandal auf, der die Ärmsten der Armen im Arbeiterviertel Dresden Pieschen trifft.

Das erinnert hier schon wieder an den späteren Heller, dessen Fälle in brisanter politischer Zeit letztlich oft unpolitisch bleiben. Und so bleiben die hier erwähnten großen politischen Ereignisse im Leben des Max Hellers ein wenig außen vor. Er bleibt, hier besser er wird der Mann der kleinen Leute. 

Und doch bewährt er sich als Mann in der blauen Uniform der Schupo. Ein Platz an der neu gegründeten Landespolizeischule Sachsen in Meißen wird ihm angeboten. Der Schutzdienst, so gesteht er einem Vorgesetzten, befriedige ihn nicht ganz. Inzwischen hat er ein paar Gönner. Des Großvaters Rolle, der inzwischen verstorben ist, war dabei hilfreich, aber Max Heller hat sich seines Namens wohl würdig erwiesen. 

1924. Nachwuchs kommt. 

„Sie hatten sich und ihren kleinen Sohn. Mehr brauchten sie nicht. Und zum ersten Mal seit Langem senkte sich der Friede wie eine warme Decke auf ihn herab.“ (Seite 446)

Nun bin ich gespannt auf Prequel 2 und hoffe, das Frank Goldammer den Verlag überzeugen kann…

© Bücherjunge (NZ, 19.10.2023)

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