Sturm, Andreas M.: Leutnant Friedrich ermittelt…

Mein Gefühl, dass es rund dreißig Jahre dauerte, bis Volkspolizisten, sei es in Uniform oder in Zivil als Angehörige der Kriminalpolizei, in Romanen wieder ermitteln „dürfen“, trügt vermutlich nicht.

Vielleicht habe ich nicht alles mitbekommen, aber, wie Kenner dieses Blogs vielleicht bemerkt haben, fing das hier mit einem gewissen Max Heller an. 

Dieser Kriminalist hatte seine Zeit von 1944 bis 1961. Ein weiterer, Tobias Falck, beginnt erst 1989, nachdem er die VP-Schule absolviert hatte und als Leutnant zum neu eingerichteten KDD – Kriminaldauerdienst – kam. Kenner der neueren Dresdner literarischen „Kriminalpolizeigeschichte“ wissen, ich schreibe hier gerade von den Romanhelden eines gewissen Frank Goldammers; ich mache mir aber gar nichts daraus, wenn dies mittlerweile als offensichtliche Werbung angesehen wird. 

Doch findet sich im Titel des Posts keiner der beiden genannten Kriminalisten, der Uwe Friedrich war mir bis zur diesjährigen Buchmesse in Leipzig noch unbekannt. Bis ich mal wieder auf Andreas M. Sturm traf, diesmal während einer Buchmessen – Krimilounge.

So kam ich gleich zu zwei Kriminalromanen, die Anfang der achtziger Jahre spielen. Anfang der achtziger Jahre in Dresden bedeutet, dass so etwas wie die Deutsche Einheit und damit der Fall des „antifaschistischen Schutzwalls“ noch nicht wieder an der Tagesordnung waren. Es bedeutet auch, dass in der jüngeren Bevölkerung vor allem in den jungen Gemeinden der evangelischen Kirche sich eine Art Opposition bildete; Freiheit und Umweltschutz wurden zu Begriffen, die dort mehr und mehr diskutiert wurden. 

Mit meinen damals neunzehn Jahren kam ich in Dresden-Leuben erstmals zu einem Konzert mit dem Liedermacher Gerhard Schöne, mich hatte ein Lehrling und Kumpel aus der Berufsschule mitgenommen. 

Aber hier geht es nicht um mich und nur in ganz anderer Art und Weise um Musik…

Vorsicht! Spoiler!

Dresden Altmarkt 1980 / © Veit Schagow –  fotocommunity

Leutnant Uwe Fischer ist ein eigentlich noch junger Kripo-Offizier, darauf weist einerseits sein Dienstgrad hin, andererseits war die VP mit diesen nicht gerade um sich und Erfahrung hat er auch schon. Heißt, er fällt seinen Vorgesetzten positiv auf.

In Verlorenes Land führen die Ermittlungen zu einträglichem Antiquitätenhandel, nicht gerade eine Beschäftigung der hauptsächlich werktätigen Bevölkerung in Elbflorenz. Die meisten hatten hatten damals von der KoKo – Kommerzielle Koordinierung – und deren Chef, Alexander Schalck-Golodkowski noch nie was gehört. Diese „Firma“ des Obersten im MfS, dem Ministerium für Staatssicherheit war für die Devisen-Beschaffung auf „sonstigem“ Weg zuständig, Antiquitäten gehörten dazu und so waren die damit Beschäftigen oftmals bekannt oder mischten gar mit.  

Es ging um Geld, also Westgeld, Devisen, und bei Geld hört oft die Freundschaft auf, Geld führt zu Habgier und Habgier eventuell zu Mord. Der Ermordete „arbeitete“ als Abteilungsleiter bei Pentacon, nein nicht in Washington, sondern in Dresden – Striesen, wo die einst begehrten Exa- und Praktika Kameras gefertigt wurden. Seine Wohnung allerdings wies weniger Fotografisches, dafür mehr Antiquarisches auf. Im Hof eines heruntergekommenen Mietshauses in der Neustadt macht er Bekanntschaft mit einem Pistolengeschoss…

In dem Haus wohnen Sabine Fuchs, ihre Freundin Birgit und Anton. Letzterer quittierte einst den Dienst bei der Stasi… Da platzt unser junger Leutnant rein, verknallt sich in Sabine und etwas später ist auch Anton tot und wird rasend schnell unter die Erde gebracht. Todesursache? Unbekannt…

Natürlich kreuzen sich die Wege zwischen Kripo und Stasi, insbesondere durch einen seltsamen Observator mit dem Dienstgrad Oberleutnant…

* * *

Der Henker mit dem Totenkopf ist von ganz anderem Kaliber. Hier hängen eines Tages gleich zwei Frauen an einem Baum in kunstvoll geknüpften Henkersschlingen. Die Frauen wurden außerdem sexuell misshandelt bzw. vergewaltigt. Ein Tatverdächtiger ist schnell gefunden, aber wir wissen, passiert das im ersten Drittel, fließt noch viel Wasser die Elbe herunter. Außerdem stirbt der in der Zelle mit offener Hose und Strick um den Hals. Durch Sabine, deren Medizin-Studienplatz plötzlich (?) bewilligt wurde, erfährt Uwe viel über Luftnot und Masturbation…

Der Observator, den wir schon kennen, kann den Leutnant immer noch nicht leiden…
Der Totenkopf prangte mal an der Mütze eines SS-Sturmbannführers…

* * *

Die Story des ersten Romans fand ich etwas weit her geholt. Zwar las ich einen durchweg spannenden Roman, dessen Ende lange nicht ersichtlich war, erlebte Dresden Anfang der 80er wieder, die Straßen, das Bier ;), hätte nicht gedacht, dass es selbst in teilweise verfallenen Wohnhäusern der Neustadt noch Toilettenhäuschen auf dem Hof gegeben haben soll…

Alte Straßennamen fanden sich im Gedächtnis wieder, selbst als Dresdner musste ich überlegen, wo denn der „Platz der Thälmannpioniere“ war.

Alaunplatz (Platz der Thälmannpioniere)
© Bücherjunge

Der Leutnant hat nen doofen Oberleutnant und einen zunächst undurchsichtigen Major als Vorgesetzte, die Stasi-Leute sind halt unsympatisch, wie immer… 

Die des zweiten Romans überzeugte seltsamerweise mehr. Wie viele ehemalige Nazis und Kriegsverbrecher konnten sich verbergen? Hat man doch oft immer hingesehen, weil nach dreißig Jahren DDR nicht sein kann, was nicht sein darf? Dass ein bevorstehender Kirchentag natürlich keinen Missklang erhalten darf, koste es was es wolle, das ist gut vorstellbar. Für die komplizierten Ermittlungen tritt zur Kripo ein weiterer Stasi-Major, der sich ganz anders einbringt als „gewohnt“, dafür benimmt sich dessen Oberst (Stellvertreter des Chefs der Bezirksverwaltung MfS?) wie ein mieser Scherge… 
Im Sturmbannführer aber versammeln sich für meinen Geschmack zu viele Verbrechenseigenschaften, abgesehen dafür, dass er für den Dienstgrad der Waffen-SS etwas zu jung erscheint..

Allerdings sind die erwähnten Verbrechen im Konzentrationslager Ravensbrück als Grundlage für die Morde hier durchaus geeignet, dem Roman das Prädikat „Gegen das Vergessen“ zu geben. Hier passt auch hin, dass Kripo und Staatssicherheit mit hohem Personalaufwand anfangen zu recherchieren um einen Tatverdächtigen einzugrenzen. 

Der Observator wird einem am Ende fast sympathisch und verspielt das gleich wieder… Auch so ein komischer Typ… an sich ganz gut im Job, dafür karriere- und ein bisschen rachsüchtig, hört aber klassische Musik und malt…

Ich bin also hin und her gerissen. Die Figur des Leutnant Friedrich und einige andere gefielen mir schon, doch manches schien mir halt ziemlich übertrieben.

Am Ende war alles letztlich so spannend, dass ich zwei Taschenbücher in 1,5 Wochen schaffte und hier ist schon die Besprechung dafür.

* * *

Ich hab schon einiges von Andreas M. Sturm gelesen, die anthologischen „Mordsbücher“ stehen in der Küche und morgens beim Kaffee, lese ich gelegentlich eine Geschichte über „Gift- und Märchenmorde“.

Vielen Dank, lieber Andreas M. Sturm für die beiden Rezensionsexemplare.

© Der Bücherjunge, NZ – 13.08.2023

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