Günther Ralf, Winterherz

Die Geschichte ist kurz erzählt. Wilhelm, ein vierzehnjähriger Junge aus Berlin, wird von der Kardiologie der Charité in ein Sanatorium im Osterzgebirge, nach Bad Gottleuba überwiesen. Da er öfter schlapp macht und blaue Lippen bekommt, vermutet man einen Herzfehler. Das Sanatorium ist so ein kardiologisches, und die Kinder, die dahin kommen, haben oft nicht mehr lange zu leben.

Wilhelm, den seine Mutter mit einem Wartburg-Taxi an diesen Ort bringt, was irre teuer und zu DDR-Zeiten genauso unüblich war wie heute, trifft dort auf Ilona, eine Lehrschwester. Mann ist, die „Knorke“, würde vielleicht der Berliner sagen, aber der Autor stammt ja aus Köln und ist Wahl-Sachse…

Dann kommen die anderen Jungs und wir erleben eine Jungsgeschichte, die Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen ansprechen wird. Mädchen gibt es keine, die kommen damals abwechselnd für jeweils sechs Wochen. Aber Wilhelm war ja der Erste, einige Wochen vor Weihnachten im Jahre 19.. , und diese Ilona scheint ihn zu mögen. Unter den Jungs gibt es den Büchernarren, den etwas älteren Edgar mit einem Bild seiner Verlobten auf dem Nachtschrank und jeder Junge hat natürlich einen anderen Tick, jeder ist auch anders schwer krank.

Natürlich legt sich die „Bande“ und vor allem Wilhelm mit der Oberschwester (Schwester Oberin? – Es gab zwar kirchliche Krankenhäuser, aber dieses war wohl keins?) und mit der Oberärztin an. Und Ilona muss das gelegentlich ausbaden…

Wie die Geschichte für nicht nur diese beiden ausgeht, das wird hier nicht verraten.

Ralf Günter stellte das Buch im September in Pirnas Stadtbibliothek vor. Ich war dabei und schrieb bereits über diese Veranstaltung.

© Norbert Kaiser (Wikipedia – Klinikpark im Jahr 2008)

Es geht um junge Liebe, um Streiche, um das Leben, auch um den Tod und es geht auch um Gewalt in der Familie, die Wilhelm und seine Mutter seitens des Großvaters erleben. Das sich die Geschichte in einem deutschen Land abspielt, welches es nicht mehr gibt. Nur ganz leise klingt das an, wenn von Herztransplantationen im Westen die Rede ist, oder wenn vom Plattenspieler die DDR-Hymne klingt zum Abendbrot im Sanatorium, die Wilhelm nicht kennt. (Das ist übrigens eine Szene, die einzige, ich nicht nachvollziehen kann, weder die Hymne als „Ersatz“ für ein Tischgebet, noch, dass der Junge die nicht kennt)*.

Kurzum es ist ein ernstes Buch, ein abenteuerliches Buch, ein hoffnungsvolles Buch. Ein Buch zu Weihnachten. A Propos Weihnachten: Ralf Günther setzt damit eine schöne Tradition fort. Lest doch mal die Buchbesprechungen vom Weihnachtsmarktwunder und davon wie eine Kiste Dresdner Pappen den Weg ins Erzgebirge findet.

Vielen Dank an Autor und Verlag für das Rezensionsexemplar.

* Ich denke, es gab kein Kind und schon gar keines wie diesen Wilhelm, dass die DDR-Hymne nicht kannte. Den Text der ersten Strophe, „Auferstanden aus Ruinen“ haben wir, etwas früher, noch gelernt, der Text geriet in den Hintergrund, als die „sozialistische deutsche Nation“ das „Deutschland einig Vaterland“ ablöste. Zudem wurde die Melodie ja oft genug bei internationalen Sportwettkämpfen gespielt, oder? – Das sind so die Klischees, auf die ich durchaus anspringe… Übrigens hat meine Schwester, die von 82 – 85 ihre Schwesternausbildung absolvierte, erklärt, dass sie die Oberschwester ganz sicher nicht Schwester Oberin genannt haben und Ärzte mit Herr oder Frau Doktor oder Herr Chefarzt oder Frau Oberärztin angesprochen wurden.

@ Bücherjunge (11.11.2023

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