Böttcher über Böttger & Tschirnhaus

Schriftgut 2014 – Bücherjunge trifft Hams-Joachim Böttcher

Zwei in einer Rezension. Denn so wurden sie mir vorgestellt. Vom Autoren persönlich, auf der SCHRIFTGUT 2015 in Dresden. Hans-Joachim Böttcher schreibt über „spezielle historische Themen des mitteldeutschen Raumes“. [1] Angetan haben es ihm dem 1947 geborenen Denkmalpfleger und Heimatforscher die Sachsen. Im Dresdner Buchverlag fand er wohl seine Heimat und genau an dessen Stand lernte ich ihn bereits 2014 auf der Dresdner Schriftgut kennen.

Böttcher hat schon über Christiane Eberhardine geschrieben und über Anna, Prinzessin von Sachsen, diesmal aber sind gleich zwei andere dran. Da wäre zum ersten der „Namensvetter“ Johann Friedrich Böttger, und der mit diesem untrennbar verbundene Ehrenfried Walther von Tschirnhaus.

Nicht weit von Dresden entfernt liegt Meißen. Das tausendjährige Meißen wurde von ersten deutschen König, Heinrich gegründet. Berühmt wurde es aber weniger durch diesen und auch nicht durch dessen Markgrafen Otto dem Reichen, der durch das Freiberger Silber so reich wurde, Meißen wurde berühmt durch das „Porcelaine“, welches als echt sächsisches Produkt von BEIDEN Herren förmlich neu erfunden wurde. Warum betone ich das?  Man frage einen Dresdner oder einen Meißner wer das Meißner Porzellan erfunden hat, es dürfte vermutlich nur ein Name genannt werden: Johann Friedrich Böttcher, der Apothekerssohn aus dem Nachbarlande. Wer dagegen noch den Herrn von Tschirnhaus nennt, beweist schon mal profunde Kenntnisse sächsischer Geschichte. [2]

Ehrenfried Walter von Tschirnhaus (1651 bis 1708) war ein Universalgenie. Er forschte auf dem Gebiet der Mathematik, Mineralogie, er war Physiker, Vulkanologe, Philosoph und nicht zu letzt Techniker. Damals versuchte man Metalle mit Brennspiegeln zu schmelzen, Brennspiegel waren lange Jahre sein Forschungsgebiet. Später dann konstruierte er ganze Linsenapparate. Tschirnhaus, der seine Besitzungen in der Lausitz hatte, gab viel Geld für seine Forschungen aus und war deshalb immer knapp bei Kasse. Später dann setzte er viel Kraft für die notwendigen Brennöfen ein, die zum Porzellanbrennen notwendig waren. Er wurde erstes deutsches / sächsisches Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften, den Plan, eine solche sächsische Wissenschaftsakademie aufzubauen konnte er leider nicht verwirklichen. Hans-Joachim Böttcher setzt diesem Wissenschaftler ein beeindruckendes Denkmal. „Eines Tages“ stößt Tschirnhaus auf einen Adepten, einen „Goldmacher“, den Böttger.

Dieser  Johann Friedrich Böttcher allerdings war ein genialer Scharlatan. Apothekerssohn, der dem Kurfürsten von Preußen weismachen wollte, er könne das „Goldarcanum“ herstellen. Ein Alchemist halt, aber mit sehr viel Talent zum experimentieren. Bei den Preußen wäre er früher oder später wahrscheinlich am Galgen geendet, aber wie die Fürsten so sind, auch der sächsische Kurfürst und damalige König von Polen war scharf auf Gold und so lieferte er den geflohenen jungen Mann nicht aus: er lies ihn gefangen nehmen und hoffte auf Gold. Was kam heraus? Letztlich Porzellan. Diese Vase ist „Böttger Porzellan“, die Verzierungen, hier die Weinranken sind charakteristisch für diese Erzeugnisse. Wie es endlich zu dieser Herstellung kam, beschreibt der Autor in beiden Büchern.

Das wäre ohne die vorhergehenden Forschungen des Walther von Tschirnhaus wohl nicht entstanden. Im Wikipedia-Artikel zu Tschirnhaus steht, dass es strittig ist, wer von beiden das Porzellan erfunden hat. Hans-Joachim Böttcher scheint aber recht zu haben, wenn er dies beiden zuschreibt. Tschirnhaus stirbt bereits mit 57 Jahren, Böttger überlebt ihn nur um 11 Jahre und stirbt selber im siebenunddreißigsten Lebensjahr, krank und verbracht von giftigen Dämpfen, Alkohol und Tabak – aber in Freiheit. Wäre beiden ein paar Jahre mehr vergönnt gewesen, was hätte daraus werden können – wenn auch kein Gold, wie der Starke August immer hoffte, der hier als Schachfigur aus dem sogenannten Böttcher-Steinzeug, das ist rotes Porzellan gefertigt wurde. So hat der Autor der beiden Bücher vor allem eines erreicht: Er bringt beide wieder zusammen. Über Jahrhunderte wurde nur der Böttger als Erfinder das Meißner Porzellans genannt, sein Lehrer in vielen Dingen und von ihm auch geehrt, geriet ein wenig in Vergessenheit. Noch 2019 findet sich auf dem Online-Portal der Sächsischen Zeitung ein Artikel über Böttger, der Tschirnhaus zwar erwähnt, aber den einEindruck erweckt, Böttger wäre beim Porzellan der Hauptakteur gewesen.[3] Untertitel der Biografie zu Tschirnhaus heißt deswegen ja auch: „Das bewunderte, bekämpfte und totgeschwiegene Genie“. [4]


Im Jahr  1949 drehte die DEFA den Film DIE BLAUEN SCHWERTER. Da wenigstens kommt Herr von Tschirnhaus schon mal drin vor. Der steht natürlich in der Kritik, man wirft ihm eine bestimmte gesellschaftlich-historische Sicht vor. Aber ich kann mich erinnern, dass der Böttger, gespielt von Hans Quest, in seiner Hektik, Rastlosigkeit und Verzweiflung, in seiner Maßlosigkeit ganz hervorragend dargestellt wurde. Willy A. Kleinau als August der Starke war ebenfalls ein starke Figur.

Die Szenen am Brennofen entstanden vor meinem Augen wieder bei der Lektüre der beiden hier vorgestellten Biografien.


Die Empfehlung, beide Bücher zu erwerben und zu lesen, war auf jedenfalls Gold wert. Oder Porzellan?  Ja, da schreibt ein Historiker, der allerdings sicher sehr viel recherchieren musste. Aber er schreibt durchaus kurzweilig und zitiert auch viel aus alten Dokumenten. Auch dies ist sehr interessant, Schreibweise und vor allem aus dem Lateinischem und Französischem abgeleitete Fremdwörter zu lesen, deren Erklärung in Fußnoten gelegentlich auch notwendig war.

Hans-Joachim Böttcher gab bei unserem Zusammentreffen durchaus kund, dass es bisher wohl kein Werk gäbe, welches auf diese Weise beiden Erfindern gerecht wird. Außerdem fand er es beschämend, dass die Meißner Manufaktur zum 300. Todestag von Tschirnhaus keine Biografie in Auftrag gab. Nun, vielleicht schafft sie dies in drei Jahren, dann jährt sich Böttgers Tod ebenfalls zum 300. Mal.

Ich geh ganz stark davon aus, dass die anderen Biografien von denen weiter oben die Rede war, ebenfalls noch den Weg in mein Dresden-Bücherregal finden werden.


(zuerst veröffentlicht unter litterae – Artesque am 15.01.2016)

  • Die Bücher
  • Ehrenfried Walther von Tschirnhaus – Das bewunderte, bekämpfte und totgeschwiegene Genie / Biografie / Dresdner Buchverlag / Dresden 2014 / ISBN: 978-3-941757-42-4 / 148 S. / DNB
  • Böttger – Vom Gold- zum Porzellanmacher / Biografie / Dresdner Buchverlag / Dresden 2011 / ISBN: 978-3-941757-31-8 / 220 Seiten / DNB

© Bücherjunge (NZ, 06.05.2023)

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